Ein neuer Anlauf? Mal sehn. Jedenfalls bewegt mich die Facebook-Klage gegen StudiVZ, und so drängt es mich, ein paar Fragen in diesem Zusammenhang aufzuwerfen, freilich ohne jedweden Anspruch auf eine juristische Bewertung!
Alle Gespräche hätten nichts geholfen, nun müsse man doch den Rechtsweg beschreiten. Für diese Einsicht hat Facebook zwei Jahre nachdenken müssen.
Erstens:
Ich bin vehementer Verfechter eines grundsätzlichen Anspruchs auf ein copyright für eigenständige geistige Leistungen. Der mit dem Wachstum des Internet einhergehende Verfall des respektiven Unrechtsbewusstseins, ist, nach meiner Meinung, eine inakzeptable, gefährliche Entwicklung, zu der jedoch eine Vielzahl von begünstigenden Begleitumständen beigetragen haben. An erster Stelle stehen dabei die Durchsetzbarkeit und die Legitimität und, in diesem Spannungsfeld, die schon seit Jahrzehnten andauernde Aushöhlung des Schutzanspruchs. Die überaus heikle Frage, die sich damit verbindet, zielt auf den Grad oder die Messbarkeit der eingeständigen Leistung, die einem beliebigen Sachverhalt ein eigenes Copyright abringt. Nehmen wir, auf das äusserste vergröbert, die Erscheinung von, sagen wir, Zeitungen im Netz. Gewiss tragen sie alle ihren schützenswürdigen eigenen Brand auf die Site, aber gleich danach wird es schon fragwürdig: sowohl in der Navigation als auch in den Features und Services und in zahllosen Fällen auch in der grundsätzlichen Erscheinung treten sehr viele Anbieter als blosse CopyCats an den Markt. Nicht zu vergessen, dass wir allenthalben lediglich marginale Variationen von Reuter- oder anderen Agenturmeldungen serviert bekommen.
Facebook reklamiert nun, dass StudiVZ "look, feel, features and services" kopiert habe. Lassen wir beiseite, dass auch Mark Zuckerberg eine prima Copy-Klau-Klage zu bestehen hatte (die nach namhaften Zahlungen verglichen wurde), ignorieren wir, dass StudiVZ jedes "-VZ" verklagt, dass sich als eigene WebSite behauptet, und stellen umstandslos fest: das wird wohl so sein, denn die paar Modifikationen als "eigenständige geistige Leistung" durchgehen zu lassen, fällt schwer - auch, wenn es juristisch gewiss relevant werden wird.
Aber: Wenn StudiVZ bestehende Markenzeichen, Gebrauchsmuster oder vergleichbare Rechte verletzt hätte (etwa durch Cracken von Codes), sähe (sieht) die Sache anders aus, nun aber die blosse Tatsache, in einem "anderen Land" einen Dienst mit vergleichbarer Zielsetzung einzurichten, und dabei auf ähnliche (und sogar gleiche) Attribute einzusetzen, kann, nach meiner Meinung, nicht justitiabel sein, und übrigens müsste/könnte man andernfalls das halbe Internet verklagen und abschalten.
Zweitens:
Facebook hat versucht, StudiVZ zu kaufen - und sei es, dass StudiVZ versucht hat, sich selbst an FB zu verkaufen. Dass StudiVZ abgekupfert hat, muss zwar von Rechts wegen noch bewiesen werden, doch am Bestand und der Beweisbarkeit der These besteht kein ernsthafter Zweifel. Und natürlich wusste Facebook, respektive das Management, davon. Die erste Frage, die sich stellt, ist doch, ob die Facebook-Klage schon durch die verstrichene Zeit delegitimiert ist, in der Facebook den Zustand wissentlich hingenommen hat. Die Frage wird gewiss auch rechtlich zu bewerten sein, mich interessiert hier jedoch nur die normative Frage. Ich will dafür ein Beispiel konstruieren und auf zwei Aspekte aufmerksam machen:
Nehmen wir dieses junge, aufstrebende Unternehmen, das, sagen wir, eine Platform für Ex-Patriots betreibt und dabei ist, diese in zahllosen Ländern zu etablieren. Dieses Unternehmen, nach aussen hin ein Global Player, besteht aus zwei Managern, die sich kein Gehalt zahlen und 5 mehr oder weniger freien Mitarbeitern, die für kleines Geld coden. Natürlich trifft dieses Unternehmen in vielen Märkten auf ähnliche Angebote, und es kommt auch vor, dass von diesen ähnlichen Anbietern einige die Features und Services, das Look and Feel unserer Beispielfirma einfach kopieren. Allein die Notwendigkeit, in dieser Situation all diese Copyright-Verletzungen an international lustig verteilten Gerichtsständen sanktionieren zu wollen, würde ein vielfaches des Kapitals erfordern, dass unsere kleine Firma gerade für den Ausbau seiner Plattform von einem VC zu erlangen hofft.
In dieser Situation - so meine ich - muss sich das Unternehmen auf sein Wachstum konzentrieren, es KANN seine juristischen Interessen nicht verfolgen; und es sollte in dieser Situation nicht durch den Verlust der Möglichkeit bestraft werden, sein Recht zu einem späteren Zeitpunkt durchzusetzen.
Anders sieht es aus, wenn sich die äusseren Umstände des Unternehmens etwa durch den Einstieg eines grossen oder gar globalen Investors geändert haben, wie etwa nach dem Einstieg von Microsoft bei Facebook oder nach der Übernahme von StudiVZ durch Holtzbrinck. Jetzt muss das Unternehmen seine Ansprüche unmittelbar geltend machen, oder es begibt sich ihrer qua Duldung. Ich ahne zumindest, dass diese Unterscheidung juristisch kaum zu halten ist, meine aber doch, auf einen wichtigen Umstand hinzuweisen, wenn es um die Beurteilung der Facebook-Klage jetzt geht. Jetzt, so meine ich, hat Facebook seine möglicherweise legitimen Interessen fahrlässig verspielt. Der Versuch, einen unliebsamen Gegner und/oder potentiellen Kaufkandidaten mit juristischen Mitteln in eine "bearbeitbare" Verfassung zu manövrieren, erscheint als durchsichtiges, wie ich meine, illegitimes Manöver.
Drittens:
Die eigentliche Malaise manifestiert sich aber doch in den Holtzbrinck Ventures dieser Welt, und sie sind auch nur Zeichen eines globalen Virus: statt aus eigener Kraft mit innovativen Angeboten neue Märkte zu erobern, setzen erstarrte und verkarstete Dinosaurier auf die Einkaufsabteilung. Der Logik dieses Vorgehens immanent ist es, bevorzugt auf solche "bewährten" Modelle zu setzen, die "Refinanzierung" versprechen. Innovation? Dein Name ist Xerox.
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